Beschneiung als Vollkaskoversicherung
Die Nachwirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie waren noch spürbar und schon zeichneten sich, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, die nächsten Herausforderungen ab. Preissteigerungen in diversen Bereichen, insbesondere bei der Energie (Treibstoffe, Gas und Strom) folgten. Zudem kündigte der Bund eine voraussichtliche Gas- und Strommangellage gegen Ende des nächsten Winters an. Was die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren war, könnte im Winter 2022/23 die Strommangellage werden, hiess es.
Kaum kommuniziert, meldeten sich im Juni 2022 auch schon die ersten Bundespolitiker aus dem Mittelland zu Wort und nutzten die «Skilifte» als emotionales Beispiel für undurchdachte Forderungen und Lösungsvorschläge. Handeln war angesagt. Wie bereits während der Pandemie galt es wiederum, die Bedeutung der Seilbahnen für das Berggebiet darzulegen. Die unsachlichen Vergleiche mit Freizeitinfrastrukturen im Mittelland mussten ins rechte Licht gerückt werden. Die Branche reagierte frühzeitig, Seilbahnen Schweiz übernahm den Lead.
Nicht erstaunlich und auch erwartet, löst die nun angelaufene Beschneiungszeit Diskussionen und Erklärungsbedarf aus. Hierbei wird vielfach verkannt, dass die Bergbahnunternehmen nicht aus Wettbewerbsgründen oder Freude, sondern zur Reduktion des wirtschaftlichen Risikos beschneien. Gästeausgaben von CHF 1.00 bei den Bergbahnen lösen CHF 5.00 bis CHF 7.00 in den Destinationen aus. Mit anderen Worten: zwei Drittel der touristischen Wertschöpfung Graubündens ist Bergbahn-induziert. Die Bündner Bergbahnen beispielsweise erwirtschaften 25% ihres Verkehrsertrages über Weihnachten/Neujahr. Die Festtage ohne Schnee, der bei Bedarf nicht so schnell in ein oder zwei Nächten produziert und präpariert werden kann, bedeuten für die Wintersportdestinationen grosse wirtschaftlichen Einbussen. Bei der Beschneiung geht es nicht primär um den frühen Saisonstart, sondern um die Sicherung der Festtage und letztlich der gesamten Wintersaison. Die Beschneiung ist mit einer Vollkaskoversicherung für alle Leistungsträger zu vergleichen. Es geht um eine Risiko-Abwägung: natürliche Witterungsbedigungen versus wirtschaftliche Einbussen. Der frühere Beginn der Wintersaison ist eine willkommene Nebenerscheinung, die mit dem fortlaufenden Ausbau des Angebots einhergeht.
Strom sparen ist bei den Bergbahnen seit Jahren ein Thema, das aktiv angegangen wird. Als sogenannte Grossverbraucher haben die grösseren Seilbahnbetriebe eine Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen, welche diese verpflichtet, wirtschaftlich lohnende Energieziele innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen. Hinzu kommen laufende Erneuerungsinvestitionen in die Bahnanlagen (z.B. Direktantriebe) und effiziente Beschneiungsanlagen, unterstützt mit einem professionellen Pistenmanagement wie etwa dem Schneehöhen-Messsystem bei den Pistenfahrzeugen. Ein Katalog an zusätzlichen freiwilligen Stromsparmassnahmen soll mithelfen, die Strommangellage zu vermeiden. Darunter fallen etwa Kaltwasser auf Toilettenanlagen, Heizungen in Gebäuden reduzieren, keine Garagierung der Gondeln/Sessel bei schönem Wetter u.v.m. Nebst der Energieoptimierung und den Sparprogrammen wird vermehrt auf die Energie-Eigenproduktion mit Photovoltaik-Anlagen, Kleinwasser-Kraftwerke etc. gesetzt.
Die Bergbahnen verlangen als Grossverbraucher keine Sonderbehandlung. Sie erwarten aber eine Gleichbehandlung mit anderen Grossverbrauchern aus der Industrie und der Wirtschaft. Die Produktion von technischem Schnee ist gleichzustellen wie etwa ein Produktionsbetrieb in der Maschinenindustrie und nicht mit Leuchtreklamen oder privaten Jacuzzi.
Die folgenden Argumente stützen die Notwendigkeit und den Nutzen der technischen Beschneiung:
Technischer Schnee sorgt für Pistenqualität
Die Gäste erwarten heute top präparierte Skipisten; vom ersten bis zum letzten Tag inklusive Talabfahrt. Auch die technologische Entwicklung der Skier und Snowboards haben Anforderungen an die Pistenpräparation verändert. Schneesportpisten müssen sehr kompakt präpariert werden, um der Beanspruchung durch WintersportlerInnen gerecht zu werden. Allein mit natürlichem Schnee kann heute weder das Angebot noch die Qualität der Pisten garantiert werden. Und dazu braucht es technischen Schnee, dessen Dichte um ein Mehrfaches höher liegt als beim natürlichen Schnee.
Sichere Pisten
Technischer Schnee bringt mehr Fahrsicherheit, da gefährliche und apere Stellen vermieden werden können. Zudem schützt technischer Schnee die empfindliche Grasnarbe vor mechanischer Beanspruchung durch Pistenfahrzeuge und Skikanten. Eine ausreichende Schneedecke isoliert den Boden und verhindert Bodenfrost.
Das Wasser bleibt am Berg
Das Einschneien ab Mitte Oktober bis Dezember erfolgt in einer Zeit, in der der Strombedarf im Tal gering ist. Die Tourismusbetriebe (Bergbahnen, Hotels) haben noch keine oder eingeschränkte Saison. Die Wasserentnahme ist zudem klar geregelt, für Fliessgewässer sind die nötigen Restwassermengen reglementiert und garantiert. Das Schmelzwasser fliesst in den natürlichen Kreislauf zurück. Mit der Schneeschmelze und durch Verdunstung gelangt das Wasser zu hundert Prozent zurück in die Natur. Das Wasser ist geliehen, nicht verbraucht.
Effiziente Beschneiungssysteme
Die Effizienz der Beschneiungsanlagen hat sich in den vergangenen 13 Jahren verdoppelt. Das Institut für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen errechnete im März 2009 einen durchschnittlichen Energieverbrauch von 31'500 kWh pro Jahr pro beschneiten Pistenkilometer. Dieser hat sich in den vergangenen Jahren bis auf ca. 17'000 kWh reduziert und damit mehr oder weniger halbiert. Zudem: Besonders die Beschneiung mit den Schneilanzen reduziert den Energiebedarf massiv. In den letzten 18 Jahren hat sich der spezifische Druckluftverbrauch pro Lanze um den Faktor 10 reduziert.
Zahlen und Fakten zur technischen Beschneiung
Der Energieverbrauch der technischen Beschneiungsanlagen in der Schweiz liegt bei rund 0.1% des gesamtschweizerischen Stromverbrauchs und beträgt rund 60 GWh/a. Dabei wird der Energieverbrauch massgeblich durch den Energieaufwand für den Wassertransport (ca. 60% der verwendeten Energie) und demjenigen des «Gefrier-Prozesses» (Schneeerzeugers) bestimmt. Hauptsächlich wird in den Monaten November und Dezember eingeschneit. In den Monaten Februar und März wird in der Regel nur in Ausnahmesituationen beschneit: bei besonderen Wetterlagen oder für Sportwettkämpfe.
- Pistenfläche Schweiz: 22’000ha
- Beschneite Pistenfläche (53%): 11’600ha
- Stromverbrauch Beschneiung: 60GWh/a
- Stromverbrauch Beschneiung: 4.1 kWh/m³ oder 5'100 kWh/ha
- Eingesetzte Wassermenge: ca. 13 Mio. m³